Interviews

Interview-Auszüge

Einige der Interviews, die mit Anne Birk geführt wurden, sind erhalten. Neben der schriftlichen Abschrift eines Interviews mit dem Presse-Büro Rapp Hirrlinger finden Sie auf dieser Seite Ausschnitte aus Interview-Tonspuren (Radio-Interviews, z.B. vom Freien Radio Stuttgart, sowie Mitschnitte von Lesungen), die thematisch zusammengeschnitten und aufbereitet wurden.

Interview-Abschrift
(Interview mit ihrem Pressebüro)

Radio-Interviews (O-Ton)

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Interview mit ihrem Pressebüro

Das nachstehend abgedruckte Interview mit Anne Birk wurde von Ulrike Rapp-Hirrlinger im Juni 2005 geführt. Die Interviewfragen sowie insbesondere die Antworten der Schriftstellerin porträtieren die Autorin indirekt:

Frage:

»Sie haben schon als junges Mädchen begonnen zu schreiben. Wie kam es dazu?«

Anne Birk:

»Schreiben hat für mich schon sehr früh einen eigenen Freiraum bedeutet in der drangvollen Enge der Nachkriegszeit. Ich brauchte nur zu sagen, dass ich einen Aufsatz schreiben müsse, schon ließ man mich in Ruhe mit dem Kleinkram, um den sich Mädchen kümmern müssen. Schreiben bedeutete, für sich sein zu können, Beobachtungen festzuhalten, Geschichten zu erzählen, Figuren zu erfinden. So konnte ich in einer eigenen Welt leben, die ich mir selbst zusammenbaute und in der ich die Rollen neu verteilen konnte. Ich entdeckte aber auch, dass ich im Schreiben Unausgesprochenes zur Sprache bringen kann.«

Frage:

»Was motiviert sie heute zu schreiben?«

Anne Birk:

»Da ist zunächst der oben beschriebene Freiraum, die Lust am Ausprobieren und Gestalten, die Auseinandersetzung mit Urteilen und Vorurteilen. Schreiben ermöglicht mir außerdem die Auseinandersetzung mit eigenen Erfahrungen, die menschliche Grundsituationen berühren. Schreiben verschafft emotionale und intellektuelle Distanz zu sich selber und zu dem, was um einen herum vorgeht. Schreiben bedeutet aber auch, das schwer zu Bewältigende aus dem eigenen Ich heraus und in eine literarische Form zu bringen. Im Schreiben halte ich Sichtweisen fest, die sich ändern. Man kann diese Sichtweisen aus zeitlicher Distanz als Schritte in eine Richtung, womöglich auch in eine Sackgasse, wahrnehmen. Es ist mir wichtig, die Entwicklung von Figuren und Beziehungen über längere Zeiträume darzustellen. Deshalb schreibe ich auch am liebsten in Prosa.«

Frage:

»Die einen können nur in absoluter Abgeschiedenheit etwas zu Papier bringen, andere Autoren schreiben am liebsten im größten Trubel. Wie und wo schreiben Sie?«

Anne Birk:

»Ich schreibe nach wie vor von Hand und hause zwischen Notizzetteln, halbfertigen Reisetagebüchern und unkorrigierten Kapiteln. Einfälle notiere ich mir auf Bahnhöfen, Parkbänken und Cafés und verliere sie zuweilen auch wieder. Mit zunehmendem Alter werde ich ordentlicher.«

Frage:

»In drei Romanen – und demnächst kommt ein vierter hinzu – beschreiben sie die Geschichte Ihrer Familie seit dem Ersten Weltkrieg – wofür ist sie Modell?«

Anne Birk:

»In den Geschichten, die man sich in meiner Familie erzählte, spiegeln sich die Zeitläufte von der Auswanderung nach Amerika bis zu SA-Karrieren. Sozialgeschichte, Inflation, zwei Weltkriege, die Zwangsarbeiter in den Fabriken – auf lokaler Ebene fand sich alles wieder, was die Welt bewegte.«

Frage:

»Im Mittelpunkt Ihrer Werke steht immer der einzelne Mensch: Wie hat sich Ihr Blick auf die menschlichen Verhältnisse so geschärft?«

Anne Birk:

»Ich habe immer versucht, hinter die Fassaden zu schauen und dabei viel Unglück, Einsamkeit, Resignation und Unsicherheit gefunden. Ich habe aber auch – nicht zuletzt durch meinen Beruf – festgestellt, dass dies alles von jetzt auf nachher in Aggression umschlagen kann. Dabei hat mich immer fasziniert, zu welch unterschiedlichen Verhaltensweisen Menschen fähig sind. Ich habe großen Respekt vor Menschen, die sich einen eigenen Handlungsspielraum auch unter extremen Bedingungen erkämpfen. Das ist für mich eng mit der Vorstellung von Freiheit verbunden. Andererseits sehe ich auch die Lust, mit der man im Rudel dem bereits am Boden Liegenden einen Fußtritt verpasst.«

Frage:

»Häufig stehen Frauen im Mittelpunkt Ihrer Werke. Verstehen Sie sich als „Frauenschriftstellerin“?«

Anne Birk:

»Nein. Ich stelle allerdings traditionelle Frauenbilder in Frage, was weibliche Leser zuweilen durchaus stört, weil es zum Teil auch die gemütlichen Nischen in Frage stellt. Ich habe erlebt, wie die Frauen im Krieg das Leben ohne Männer organisierten und nach deren Rückkehr die Verantwortung mehr oder weniger freiwillig wieder abgaben. Das war mir unbegreiflich. In meinen Texten versuche ich Anpassungszwänge ebenso wie individuelle Freiräume zu beschreiben. Auch, dass Frauen selbst den stärksten Anpassungsdruck auf Frauen ausüben. Frauen sind für mich nicht nur Opfer der Männer und der Verhältnisse. Es geht mir darum, sie als Menschen in ihrer Komplexität, Unberechenbarkeit, mit ihren Ängsten, Erfahrungen und Hoffnungen darzustellen. Den Klärchen, Königinnen der Nacht und anderen Klischees gilt es den Menschen entgegen zu setzen.«

Frage:

»Sie waren vor mehr als 20 Jahren Mitbegründerin der Initiative schreibender Frauen in Baden-Württemberg. Haben es Frauen im Literaturbetrieb schwerer als Männer?«

Anne Birk:

»Das Establishment des Kulturbetriebs war bis weit in die 80er Jahre überwiegend männlich und funktionierte nach männerbündlerischen Spielregeln. Ich durfte mir mehrmals anhören, ich sei ja nicht unbegabt, aber Frauen könnten halt nicht wirklich gut schreiben. Die Initiative schreibender Frauen in Baden-Württemberg hat durch die Organisation von Lesungen und Publikationen den Autorinnen die gebührende öffentliche Resonanz verschafft. Heute werden Autorinnen überwiegend gleich behandelt wie Autoren. Sie werden nicht länger als Exoten angesehen. Man schreibt nicht besser oder schlechter, weil man eine Frau ist. Aber vielleicht schreibt man zuweilen anders.«

Abdruck des Interviews vom 29.6.2005 mit freundlicher Genehmigung des Pressebüros Rapp-Hirrlinger.

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Sequenzen aus Radio-Interviews

Wie Anne Birk zum Schreiben fand

Anne Birk erzählt in diesem Interview, welche Rolle „das Schreiben“ in ihrem Leben spielte, wann und wie sie dazu kam, eigene Texte und Bücher zu schreiben, welche Rolle ihr familiärer Hintergrund und die Erfahrungen ihrer Mutter spielten, welchen Einfluss die gesellschaftliche Rolle von Frauen auf ihr Schreiben hatte, welchem „Brot-Beruf“ sie nachging, wie sie lange Zeit versuchte den Stoff für ihre Roman-Trilogie zur deutschen Geschichte bestmöglich zu verarbeiten, und inwiefern Literatur für sie Freiraum und Freiheit bedeutete.

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Zur Rolle der Frauen

Die Schriftstellerin äußert sich in diesem Interview zu verschiedenen Aspekten des Frauenbilds, angefangen von den Minderwertigkeitsbetrachtungen der Nazis, die Entwicklung und partiell positive Veränderung in westlichen Industrieländern und insbesondere in Deutschland, aber auch die unverändert schwierigen Verhältnisse von Mädchen und Frauen in nach wie vor extrem patriarchalisch geprägten Ländern und Kulturen – sei es in türkischen Familien oder auch vielen muslimischen und asiatischen Ländern. Anne Birk geht auch darauf ein, wie ihre eigene Verarbeitung der Rolle der Frauen – differenziert, nicht einseitig als Opfer, sondern Teil von ganzheitlicheren und komplexeren Umständen – von einigen Frauen selbst kritisch betrachtet wird.

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Gründung der ISCHFRA

Anne Birk berichtet in diesem Interview, warum und vor welchem Hintergrund sie zusammen mit anderen Schriftstellerinnen die ‚Initiative Schreibende Frauen‘ (ISCHFRA) gründete, welche (auch politische) Rolle die Initiative spielte, und wie verschiedene Veranstaltungen über gut zwei Jahrzehnte Maßstäbe setzten konnten – beispielsweise mit der Euro-Lit, auf der sich u.a. Schriftstellerinnen aus zahlreichen osteuropäischen Ländern einfanden – auch spätere literarische Größen wie beispielsweise Ljudmila Ulizkaja. Dabei geht Anne Birk einerseits auch auf die persönliche Komponente ein, wie wichtig es ihr als Schriftstellerin war, durch ihren „Brot-Beruf“ mit beiden Beinen im Leben stehen, und andererseits, wie gestrichene Fördermittel die Arbeit der ‚Initiative Schreibende Frauen‘ zunehmend erschwerten.

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Hintergrund zur großen Roman-Triologie

In den hier zusammengeschnittenen Interview-Sequenzen geht Anne Birk auf die Entstehung ihrer großen Roman-Trilogie ein. Thematisiert werden dabei der Einfluss ihrer Familiengeschichte und insbesondere des mütterlichen Clans sowie der Tagebuchaufzeichnungen und Erzählungen ihrer Mutter, der zeitgeschichtliche globale Hintergrund (1. und 2. Weltkrieg) sowie die Kriegsgefallenen als auch die Nazi-Verstrickungen der eigenen Familie, die Erzähltradition mit ihren vielseitigen Erzählperspektiven in der Großfamilie der Autorin, das Literaturstudium der Schriftstellerin sowie ihre Recherchen und Dritt-Quellen, und nicht zuletzt die Rolle der Frauen im Zeitbogen von vor dem Ersten bis nach dem Zweiten Weltkrieg.

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Über ‚Weiße Flecken an der Wand‘ (Roman)

Anlässlich einer Lesung zu ihrem Roman ‚Weiße Flecken an der Wand‘ schildert die Autorin die Umstände im Vorfeld des Ersten Weltkriegs – die beispielsweise dazu führten, dass im September 1938 während der sog. Sudetenkrise und noch während der Verhandlungen zum Münchner Abkommen – und damit also bereits ein Jahr vor dem Kriegsausbruch 1939 – die geplante große Dorfhochzeit der Eltern aufgrund eines bereits vorliegenden Einberufungs- bzw. Stellungsbefehls für ihren Vater kurzerhand zu einer knappen Kriegstrauung wird. Anne Birk spricht in diesem Zusammenhang auch von dem scheinbaren Widerspruch, der im Schatten des nahenden Zweiten Weltkriegs große Teile der deutschen Bevölkerung charakterisierte: Ein unterstützender Jubelsturm für Hitler – und die parallele emotionale Abneigung gegen einen erneuten Krieg. Erwähnung findet in diesem Kontext auch die Rolle des Medienzugriffs des Hitler-Regimes mittels einer Radio-Dauerbeschallung, deren Nazi-Terror ihren Einfluss nicht verfehlte.

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Wie ‚Examen 68‘ entstand

Im Rahmen einer Radio-Lesung erläutert Anne Birk, wie u.a. der Medienhype im Vorfeld der 40. Jährung von „1968“ zum Mitauslöser ihrer kurzfristig entstandenen Erzählung Examen 68 wurde, und wie und warum sie den Studenten-Alltag als Kontrast zur fälschlich vereinfachten medialen Darstellung „der 68er“ bewusst bescheiden, gewöhnlich und gewissermaßen action-arm aus Sicht einer Studentin erzählt, die eben nicht in sexueller Befreiung auflebt, sondern vielmehr geprägt ist vom einerseits rechtlich konservativen Rahmen des sog. Kuppelei-Paragraphen, und andererseits von der Quasi-Beschränkung der Pille für verheiratete Frauen. Die Schriftstellerin erläutert darüber hinaus wie unkritisch das Amerika-Bild trotz unübersehbarer Schreckensbilder aus Vietnam noch war, und wie eine Studenten-Generation erst zaghaft damit begann, dem „Das war halt so!“ die Frage des „Warum?“ entgegenzuhalten, und damit eine kritische Diskussion über die deutsche und die persönliche Verantwortung der Nazizeit zu erzwingen.

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