Papierboote

Papierboote (Kurzgeschichten)

Buchtitel:

Papierboote – Geschichten für den Frieden

Autorin:

Anne Birk

Literarische Gattung:

Sammlung von Prosatexten, Satiren, Erzählungen & Kurzgeschichten

© Copyright:

ROGEON Verlag

eBook-Cover:

Anne-Birk-Papierboote-Kurzgeschichten-ROGEON-Verlag-eBook-Titelbild

Kurzübersicht

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Buchvorstellung

Erschienene Ausgaben

Pressestimmen & Rezensionen

Inhaltsverzeichnis | Kapitel

Leseproben | Textauszüge

Hörprobe

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Buch-Vorstellung

‚Papierboote‘ war 1984 die erste Veröffentlichung der Autorin Anne Birk, eine Sammlung von kurzen ‚Geschichten für den Frieden‘ – so der Untertitel; wobei die Bandbreite der Themen weit mehr abdeckt als dies zunächst vermuten lässt.

In diesen Prosatexten, Erzählungen & Kurzgeschichten zeigt sich einerseits bereits das literarische Talent von Anne Birk, andererseits ihr weitsichtiger Blick für verschiedenste gesellschaftliche Themen. Die meisten haben bis heute ihre Aktualität nicht verloren.

‚Papierboote‘ beleuchtet beispielsweise die zynischen Risikoabwägungen der Politik für Atomkraftwerke in Erdbebengebieten; und fast 30 Jahre später erdreisten sich manche Politiker und Interessenvertreter im Angesicht von Fukushima immer noch zu behaupten, dass all dies nicht vorauszusehen war.

‚Papierboote‘ handelt von Krieg, von Frieden, und von Menschenrechten.

‚Papierboote‘ spielt in Deutschland – Ost und West; es spielt in Polen, Griechenland, der Türkei; es handelt von der ehemaligen Tschechoslowakei, Russland, Indonesien und von Südamerika.

‚Papierboote‘ blickt in die Gesellschaft, in Familien, in die Wirtschaft und ihre Globalisierung; in das Leben von Gastarbeitern und Migranten; es sind Geschichten aus der Heimat; und von Heimatlosigkeit.

‚Papierboote‘ beschreibt Generationskonflikte, Erziehung, Bemutterung, Scheidung; die Geschichten befassen sich mit Emanzipation, Abtreibung und mit dem Sinn des Lebens.

‚Papierboote‘ spielt in alten Dörfern und Neubausiedlungen, im Kapitalismus und im Sozialismus; die Begebenheiten ereignen sich im Urlaub, bei der Arbeit, und zuhause.

‚Papierboote‘ erzählt aus der DDR und vom marktwirtschaftlichen Klassenfeind im Westen; und von der Mehrklassengesellschaft im klassenlosen Arbeiter- und Bauernstaat.

‚Papierboote‘ besteht aus Sehnsucht und Träumen; die Erzählungen handeln von Obdachlosen und von Reichen, von Sinn und Wahnsinn, von Realem und Surrealem.

‚Papierboote‘ durchfährt Landesgrenzen und den Eisernen Vorhang, und berichtet von einem Stück Wiese im Zollverkehr sowie von toten Vögeln auf dem Weg.

‚Papierboote‘ beschäftigt sich mit Freiheit, Vorurteilen, Werten und Moral, mit Traditionen, und mit Wandel. Und mit Verantwortung.

‚Papierboote‘ unterhält und erzählt aus dem Leben. Und regt zum Nachdenken an.

‚Papierboote‘ ist kritisch, bisweilen satirisch – und fast immer zeitlos.

(Abdruck mit freundlicher Genehmigung des ROGEON Verlags)

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Erschienene Auflagen & Ausgaben

Auflagen und Ausgaben von ‚Papierboote‘:

eBook
ROGEON Verlag
elea edition
ISBN: 978-3-943186-09-3 (ePUB)

Titelbild der eBook-Ausgabe von 'Papierboote' einblenden:
Anne-Birk-Papierboote-Kurzgeschichten-ROGEON-Verlag-eBook-Titelbild

1. Print-Auflage
Von Loeper Verlag
ISBN-10: 3-88652-043-9
ISBN-13: 978-3-88652-043-5
Erscheinungsjahr: 1984
143 Seiten
Broschiert
Restposten verfügbar

Buch-Cover der 1. Print-Auflage von 'Papierboote' einblenden:
Anne-Birk-Papierboote-Geschichten-Frieden-Buch-Umschlag-von-Loeper-Verlag-ISBN-9783886520435-Front-Vorderseite
Anne-Birk-Papierboote-Geschichten-Frieden-Buch-Umschlag-von-Loeper-Verlag-ISBN-9783886520435-Back-Rückseite

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Pressestimmen & Rezensionen

Im Folgenden finden Sie einen Abdruck ausgewählter Pressestimmen & Rezensionen zu ‚Papierboote‘ von Anne Birk:

| in Bearbeitung |

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Inhalt des Buches

Inhaltsverzeichnis | Kapitel

Die Text-Sammlung ‚Papierboote‘ der Schriftstellerin Anne Birk beinhaltet folgende Kapitel bzw. Abschnitte:

  • Ansprache des Ministerpräsidenten im Katastrophengebiet
  • Menschenrechte
  • Karriere
  • Unterm Feigenbaum
  • Tote Vögel
  • Grenzüberschreitung
  • Machtergreifung
  • Seelenwanderung
  • Zeiger
  • Kantinengespräch
  • Ein Arbeitsplatz ist ein Arbeitsplatz
  • Ein deutsches Jubiläum: Jahrestag des deutschen Einmarsches in Polen
  • Papierboote
  • Zahlen
  • Arkadien
  • Gegenstände
  • Das gute Leben
  • Kofferpacken
  • Vieräugig
  • Abspeisung
  • Marktplatz
  • Schöne Helena
  • Geschäfte
  • Die einen, die anderen – oder: Noch ist Polen nicht verloren
  • Nachspiel
  • Zwei Mal Kaffee
  • Meinungsfreiheit
  • Schokoladenzwerge
  • Ablösung
  • Räder müssen rollen für den Sieg
  • Am Hoftor
  • Morgenstund
  • Was ist Krieg
  • Sandträume

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Leseproben | Textauszüge

Leseproben (Textauszüge) aus der Sammlung ‚Papierboote‘ von Anne Birk:

PAPIERBOOTE

»…Ich sehe dem Wasser zu, wie es langsam steigt, baue ein neues Boot, verstrebe die eigenen Wörter in Sätzen, die eigenen Sätze isolieren die Wörter gegen die aufsteigende Feuchtigkeit, die Boote aus den eigenen Wörtern liegen schwerer im Wasser und sind schwimmtüchtiger…«

VIERÄUGIG

»…Als ich geboren bin, sagt meine Mutter erleichtert, Gott sei Dank, es ist nur ein Mädchen. Bevor ich erfahre, was ein Vater ist, erfahre ich, er ist als Soldat bei Woronesch. Bevor ich erfahre, was ein Onkel ist, erfahre ich, er ist als Soldat in Narvik. Das macht: ich bin der Jahrgang von Stalingrad…«

GRENZÜBERSCHREITUNG

»…Seinem Gesicht ist anzusehen, daß er rein gar nichts versteht und auch überhaupt nichts verstehen will. Heilige Teresa, steh mir bei, denk ich, sie bewachen die Grenzen des sozialistischen Lagers mit Leuten, die vom dialektischen Materialismus so viel verstehen, daß eine Wiese halt eine Wiese ist in alle Ewigkeit Amen. Basta…«

Weitere Leseproben aus 'Papierboote' anzeigen:

ANSPRACHE DES MINISTERPRÄSIDENTEN IM KATASTROPHENGEBIET

»…Wenn der Erdbebengraben weiterhin so verlaufen wäre, wie er bisher verlaufen ist und wie er nach Meinung der Experten hätte weiterlaufen müssen; wenn also diese verhängnisvolle Änderung in der Richtung der Erdbebenwellen, die nicht vorhersehbar war und bei der Standortbestimmung des Kraftwerks also auch nicht berücksichtigt werden konnte, nicht eingetreten wäre, dann könnte nach wie vor von einer maximalen Sicherheit für die Bevölkerung gesprochen werden, darin sind wir uns alle einig. [..] Wir wollen jedem einzelnen von den 80.000 Opfern ein ehrendes Andenken bewahren…«

MENSCHENRECHTE

»…Aber unsere Kinder werden nicht satt davon, und sie haben Hunger, schreien die Frauen, während der Verkäufer ihnen geduldig erklärt, daß die Milch so teuer sei, weil sie nicht mehr im Land produziert und extra eingeführt werden müsse. [..] daß man heutzutage eben keine Kühe mehr, sondern Rinder für den Export züchtet…«

KARRIERE

»…’Warum haben Sie denn den Firmengärtner nicht bestellt‘, fragte Herr Müller ungläubig. ‚Weil ich den nicht will, weil ich meine Rosen selber züchten will! Lieber sollen sie verkommen, dann weiß ich wenigstens jeden Tag, daß ich nicht für mich arbeite!’…«

»…’Richtig beleidigt war sie, so alt sei sie doch nun wahrhaftig noch lang nicht und ob der Mayer das im Ernst meine, daß man jemanden drei Jahre malochen lassen könnte für eine zusätzliche überflüssige Blechkarosse.‘ Unversehens wurden beide wieder ernst…«

UNTERM FEIGENBAUM

»…Sie hatten das kalte Land verlassen in Nebel und Regen und waren heimgekehrt, als die Kamille an den Feldrainen blühte und der Mohn unter den Olivenbäumen. [..] Noch gestern, als sie mit dem Kind am Straßenrand gesessen und Ismael den Reifen gewechselt hatte, dachte sie nur an die Fahrt an den Feldern entlang, an die Orangen in den Bäumen, die weißen Minarette und die Zypressen an der Einfahrt in den Hof…«

»…Jetzt fiel ihr ein, daß das Kind geweint hatte, weil es niemanden kannte, weil es hier fremd war und vor den lachenden Gesichtern und den fremden, streichelnden Händen, die seiner Großmutter gehörten, Angst hatte. [..] So wie es war, war es gut, und niemand sollte merken, daß sie sich vor den vier Jahren fürchtete…«

TOTE VÖGEL

»…Als er wieder einen toten Vogel vom Weg kickte und dabei an den Jungen dachte, war ihm auf einmal unbehaglich zumute. Nur weil er häßlich war und allein ging, traute man ihm alles zu…«

»…Er versuchte es wieder und immer wieder, schließlich schrie er: ‚So seid ihr immer, nie macht ihr das, was ich will, nichts als Ärger hat man mit euch, womit habe ich das verdient, ich frage mich wirklich, womit ich das verdient habe.’…«

GRENZÜBERSCHREITUNG

»…’Ein Stück Wiese?‘ fragt er mißtrauischer als zuvor, ‚was wollen Sie mit einem Stück Wiese?‘ [..] ‚Hören Sie mal‘, sagt er streng, ‚was soll das eigentlich. Das ist wohl der neueste Trick; statt die Grenze in Frage zu stellen und Gebietsforderungen zu erheben, kommt jetzt wohl jeder und nimmt sich sein Stück Polen mit nach Hause.‘ [..] Wir haben zwar allen möglichen Krempel, aber solche Wiesen, die haben wir halt nicht mehr. Und meine Freunde waren so stolz, sie haben sich nämlich lange den Kopf zerbrochen, was sie mir mitgeben könnten, bei der derzeitigen Versorgungslage ist das ja nicht so einfach. Sie wissen, was ich meine…«

»…Beamtenfamilie, denke ich, die Großmutter hatte das Bild der Kaiserin im Gesangbuch zwischen ‚ein feste Burg ist unser Gott‘ und ‚befiehl du deine Wege‘, die Mutter fehlte nie beim BDM und konnte als einzige Führers Lebenslauf auswendig, fiel unter Jugendamnestie und wurde für den Arbeiter- und Bauernstaat soweit umerzogen, daß sie ihren Sohn durch alle Kurse hindurch den dialektischen Materialismus abfragen und er mit voll befriedigend abschließen konnte…«

»…und jener bewährte Grundsatz, daß der beste Diener des Staates der ist, der nicht auffällt, schon gar nicht durch etwas Besonderes, jener Grundsatz also, der sich schon in wilhelminischen Gesangbüchern und den richtigen Lebensläufen zur rechten Zeit bewährt hat, bewährt sich auch jetzt, da bin ich ganz sicher…«

»…’Aber jede Freiheit braucht schließlich ihre Ordnung, nicht wahr?‘ Das Lächeln vergeht mir. O Heimatland, geht es mir durch den Kopf, wo die Freiheit immer zur Aufrechterhaltung irgendwelcher Ordnungen im Munde geführt und dabei zur Strecke gebracht wird…«

»…Ostfront, denke ich, in dieser Familie gab es zuviel Ostfront. Für den Großvater war die Ostfront dort, wo anders gesprochen wurde, für den Vater ist sie mit seinem Schützengraben zusammen immer weiter nach Westen gewandert und für den Sohn ist sie schließlich an der Elbe stehengeblieben…«

»…Beschlagnahmen, wer redet denn von beschlagnahmen, wir sind doch hier nicht im Osten. Es findet eine Einbehaltung und Überprüfung statt…«

MACHTERGREIFUNG

»…Wer sich ihres Traums bemächtigt, der bemächtigt sich ihrer selbst, dem ordnen sie sich unter, hierarchisch straff, dem folgen sie auf alle Schlachtfelder der Welt und kämpfen verbissen mit all ihrer Tüchtigkeit um ihren Traum. Wer sich ihres Traumes bemächtigt, der hat die Macht über sie, bis zum Zusammenbruch…«

SEELENWANDERUNG

»…’Sie haben einmal Bilder von Hütten auf Pfählen im Sumpf gesehen, von Kindern, die im Abfall nach Essen suchen. Sehen sie, das ist Tondo. Dort werden Sie in genau 45 Minuten geboren. Als siebtes Kind eines arbeitslosen Gerbers.‘ ‚Aber das geht doch nicht‘, schrie er außer sich, ‚ich bin Direktor Albert Josef Bauer und werde etwas dagegen tun, ich werde mich beschweren, ich werde –‚…«

»…Es gibt keine Schule. In der neuen Fabrik braucht man nur wenige. Und weil es zuviele ohne Arbeit gibt, sind die wenigen, die Arbeit bekommen, billig. Aber was erzähle ich Ihnen das, Sie wissen das ja, es war Ihnen ja die billige Arbeitskraft den Ausbau des Hafens von Manila wert, es gibt ja darüber genaue Kalkulationen…«

»…Also, nehmen wir einmal an, Sie überleben in den Slums, und durch einen günstigen Zufall schaffen Sie es, in Ihre Fabrik zu kommen. Sie arbeiten freiwillig vierzehn Stunden. Sie haben bis dahin ein halbes Dutzend Geschwister, fünf eigene Kinder, Großeltern, eine Unzahl von Onkeln und Tanten mit unabsehbar vielen Kindern. Man lebt vom Abfall und von Ihnen. Also arbeiten Sie 14 Stunden. Freiwillig. Sie leben nicht mehr, Sie arbeiten, Sie wissen, was auf dem Spiel steht…«

»…’Ja‘, sagte der junge Mann, ‚ich habe mir schon gedacht, daß Sie jetzt mit Vorschlägen kommen, jetzt, wo es zu spät ist.’…«

ZEIGER

»…Den Rhythmus so beschleunigen, daß der Vorsprung vor den Zeigern gesichert ist für einige Zeit, den Vorsprung im Auge behalten beim Blick auf die Zeiger, nicht an die vielen großen Striche denken, die sie überkriechen, die Kästen zählen, die Kästen, nicht die kleinen Striche…«

»…beschäftigt, sah unbeteiligt den Bewegungen der Hebelarme zu, der Kopf mußte den einen schwarzen Strich genau vorplanen und einteilen, keine unnötige Bewegung, kein unnötiger Zeitaufwand, der eine Strich für die Besorgungen mußte voll ausgeschöpft werden, die Maschine stanzte knirschend knapp an den Fingern vorbei…«

KANTINENGESPRÄCH

»…’Na, wie gehts‘, fragte Erika. Diese merkwürdige nichtssagende Frage, bei der man nie wußte, ob der andere wirklich wissen wollte, wie es einem ging. Und wann konnte man schon sagen, wie es einem ging, und zu wem…«

»…Und überhaupt, es blieb ja immer etwas an einem hängen, so oder so, denn so ganz ohne Grund wird man ja nicht betrogen, so dachten jedenfalls die, deren Männer nicht fremd gingen, oder die, die dachten, ihre Männer auf keinen Fall…«

EIN ARBEITSPLATZ IST EIN ARBEITSPLATZ

»…Ist jeder Arbeitsplatz besser als kein Arbeitsplatz, egal ob der Endsieg, Atomstrom, die arische Herrenrasse, Strahlengefährdung, Panzer oder Raketen produziert werden, und sagen wir zu denen, die nach uns kommen, ich hatte eine Familie zu ernähren, ich konnte mir das nicht aussuchen, ein Arbeitsplatz ist ein Arbeitsplatz, jeder Arbeitsplatz ist besser als kein Arbeitsplatz und das alles, das hab ich ja gar nicht gewußt…«

EIN DEUTSCHES JUBILÄUM
JAHRESTAG DES DEUTSCHEN EINMARSCHES IN POLEN.

»…auf der nächsten Seite Entwicklungshilfe für Namibia, ein deutsches Jubiläum, seit vier Uhr fünfundvierzig wird zurückgeschossen, ach so, der Ausbruch des zweiten Weltkriegs, der Einmarsch in Polen, die Bücher abholen nicht vergessen, der Reiseführer für Ägypten ist dabei, was fehlt noch auf dem Zettel, Salz und Waschpulver für Feinwäsche…«

PAPIERBOOTE

»…Einmal riß meine Mutter eines meiner Papierboote vom Mühlbach und rief: Um Gottes Willen. Sie war wegen eines gewissen Hitler so erschrocken, der da in der Schlagzeile stand und von dem sie mir erklärte, den dürfe man überhaupt nicht mehr erwähnen. Als ich wissen wollte, wieso, sagte sie, der sei früher wichtig gewesen, aber jetzt nicht mehr. Über den rede man am besten gar nicht…«

»…Seit ich lesen konnte hatte ich aber herausgefunden, daß sie die Blätter mit den Bildern menschlicher Skelette ungeniert unter ihren Weihnachtsbäumen ausbreiten, es waren ja alte Zeitungen, alles längst überholt, uninteressant, einzig dazu zu gebrauchen, feuchte Schuhe auszustopfen und zu verhindern, daß Wachs auf ihre Plüschteppiche tropft…«

ZAHLEN

»…Und für die Scheine, da gibt es rosiges Fleisch in Butter und Kräutern schwimmend, Wein, der nach Pappelalleen und Nüssen und alten Kellern schmeckt, Käse, der auf dem Brot auseinanderfließt. [..] Wenn man in der Dunkelheit nach dem Wecker greift, haben manche vergessen, wofür sie aufstehen könnten…«

ARKADIEN

»…Das Tal einmal so herauf und herunter fahren, einfach so zum Zeitvertreib, ohne Körbe und Taschen, ohne irgendwohin zu müssen. Bis weit, weit hinunter zu der großen Stadt mit dem Hafen, wo die vielen großen weißen Schiffe lagen, von denen Jorgo erzählt hatte, wo man im Wasser baden konnte, wo es Bäume gab am Meer und viele Cafés, eins am andern…«

»…Sie schüttelte den Kopf. Sie konnten noch viele Bilder machen mit weißen Häusern und rotem Oleander, Bilder, die man dann ansah, um sich zu vergewissern, was ein Baum und ein Café im Freien war. Und Weinlaub und Wasser. Und daß es das gab, dort, wo man nicht war…«

GEGENSTÄNDE

»…Die Scheidung lief und Mama’s hast du dir das auch gut überlegt, Kind, weißt du auch wirklich, was da auf dich zukommt, machte ihr das Leben wirklich nicht einfacher. [..] Sie war 28 Jahre alt und keine 54. Sie hatte keine Kinder, um deretwillen man wer weiß was für ein Kreuz auf sich nehmen mußte. [..] …beschloß sie, alle diese Dinge, die er vielleicht auch nicht haben wollte, in eine Kiste zu verpacken und in den Keller zu stellen. Und auf alle Fälle fest zu verschnüren…«

DAS GUTE LEBEN

»…Lange hatte es gebraucht, bis die Großmutter sich von ihrem Acker getrennt hatte, und auf einmal tat sie so, als sei es ihre Idee gewesen, als komme das gute Leben von ihr. Dabei war es niemandes Idee gewesen, es hatte sich eben so ergeben, weil die Touristen jetzt kamen und das Land für Hotels gebraucht wurde und das Dorf eine einzige Ladenstraße geworden war…«

»…Amerika war zu weit und Dimitris Stall zu nah gewesen, und von den Touristen hatte man noch nichts gewußt. [..] Es war zu spät für den Orangengarten. Oder für die Bucht drunten. Nur ein Schiff mußte einen mitnehmen, eines, das dicht an die Bucht heranfuhr. Zwischen den großen grünen und gelben Steinen hatten sie gesessen, waren mit den Fingern den weißen Adern in den Steinen entlanggefahren, vielleicht daß doch eines Tages eins hielt…«

KOFFERPACKEN

»…Diese nicht mehr in ihr alltägliches Entstehen zurückzuverfolgende Fleckenkarte, die das zu häufige und zu schnelle Zusammenpacken auf der Kante ständig wechselnder Hotelbetten immer noch abbildet, nachdem es längst vorbei ist, gibt ihr beim Packen ein gutes Gefühl…«

»…Alles ist immer da und alles ist immer fertig. Das Fleisch schneidet sich beim Metzger in Scheiben, wandert in den Korb, trifft dort auf Gemüse und Obst, Milch und Eier, der Korb geht in die Wohnung, alle machen sich auf in den Kühlschrank, der sich rechtzeitig selber gereinigt hat, während die Hemden aus der Waschmaschine an die Leine flattern, sich glätten, zusammenfalten und Kante über Kante im Schrank Aufstellung beziehen. Das Fleisch macht sich rechtzeitig auf in die Pfanne, brutzelt auf der Platte neben dem Gemüse, das sich rechtzeitig aus den fauligen Blättern herausschält, unter den Wasserhahn begibt und vor sich hinköchelt. Alles ist immer da und alles ist immer fertig…«

»…Was Burgmaier denkt, soll sie sich wieder einmal denken, aber sie denkt anderes auf ihrem Stuhl. Nicht mehr denken müssen, was andere denken könnten, selber denken können gegen eine leere Wand, einen Tisch, einen Schrank. [..] Dieses Vorwärtskommenwollen, Aufwärtssteigenwollen, den andern eine Nasenlänge voraus sein wollen, dieses immer die Zähne zusammenbeißen müssen, wie konnte sie es jahraus jahrein ertragen…«

ABSPEISUNG

»…Während sie mit Einpacken beschäftigt ist und nochmals im Kühlschrank nachschaut, was sie ihm noch mitgeben könnte, braucht sie nicht darüber nachzudenken, warum er es kaum erwarten kann, wieder von zu Hause wegzufahren…«

»…Und sie läßt es nicht, sie kann es nicht lassen [..] Als er fünfzig ist, geht sie ins Altersheim [..] Als er sich dann nach einem Besuch darüber beschwert, daß ihm seine Mutter eine Tüte Kuchen- und Gebäckreste, die sie offenbar über Wochen hin gesammelt habe, in die Manteltasche schieben wollte und das Beweisstück auf den Schreibtisch der Oberin legt, werden die Schrank- und Schubladenkontrollen regelmäßig durchgeführt…«

MARKTPLATZ

»…Und der sogenannte Marktplatz endete vor einer Kirche, deren Betonfront aussah wie die einer Fabrikhalle. Und das war die Trabantenstadt, die irgendeinen Architekturpreis für zeitgemäßes Wohnen bekommen hatte. Na ja…«

»…So würde sie es einfädeln. Am Samstag nachmittag kein Wort von Fortfahren. Und wenn die Sportschau vorbei war, der Vorschlag…«

SCHÖNE HELENA

»…hast du vergessen, daß wir schon einmal hier waren, vor fünf Jahren, mit dem Zelt, Helena, dort unter dem Sockel sitzen wir und sagen, die Goliaths werden es nicht schaffen, wir werden uns nicht für sie in Stöckelschuhe zwängen und auch nicht die Taschen vom Markt nach Hause schleppen wie die Frauen, die vor der Kirche vorbeigehen, nie wird einer uns abrichten können…«

GESCHÄFTE

»…Der Hof und die Felder, der Wald, die alte Schankstube, alles war verkauft für das leere Zimmer, sie fand es ganz in Ordnung so…«

»…Der Tag gehörte der Arbeit, der Abend dem, was die Arbeit von ihnen übrig ließ, und das war nicht viel [..] Und Gott und den Teufel und die Weiber und die Grenze und Väterchen Lenin und das Wirtschaftswunder beim Skat hinunterspülen bis morgens in der Früh. Für einen von Schnaps und Qualm und Skat und Gelächter und Geschrei schmerzenden Kopf noch einmal die Dorfstraße hinaufgehen…«

DIE EINEN, DIE ANDERN
ODER: NOCH IST POLEN NICHT VERLOREN

»…Die einen stehen im Dunkeln auf, fahren sich mit einer Rasierklinge im Gesicht herum, schrecken kurz auf unter dem kalten Wasser, ziehen einen Pullover über den Kopf, schlingen ein Brot hinunter, trinken etwas Heißes, von dem sie nicht schmecken, was es ist, packen Brote in die Aktentasche, ohne nach dem Aufstrich zu fragen, weil er immer gleich und nach nichts schmeckt…«

»…wir sind fette Katzen, die sich gegenseitig belauern, und es bedarf einiger Geschmeidigkeit, sich im Kreis der fetten Katzen über Jahre hinaus zu behaupten, denn hin und wieder muß aus dem Kreis der fetten Katzen eine an das Reptil verfüttert werden, damit alles so bleiben kann, wie es ist…«

NACHSPIEL

»…Und du, wo warst du, als ich auf diesem Stuhl saß, gegenüber der Schreibmaschine, Name, Geburtsdatum, Geburtsort, Krankenkasse, wo warst du, als mir das Blut die Schenkel hinunterlief und in der Kniekehle kalt und ölig kleben blieb?…«

ZWEI MAL KAFFEE

»…Und im nächsten Augenblick ärgerte sie sich wieder über sich, sie bestellte etwas, was sie nicht mochte, was er nicht erwartet hatte, bloß weil er es nicht erwartet hatte. Weil sie diesen Erwartungen, die ihr abwechselnd ins Gesicht schlugen oder über den Kopf streichelten, in die Hand beißen wollte…«

»…Warum ich nach Griechenland will. Der Sonne wegen. Und weil dort die Welt noch in Ordnung ist. Weil die Welt hier in Ordnung ist. Männer, die sich bedienen lassen, Frauen, die im Hauseingang sitzen und sticken und die Unschuld ihrer Töchter hüten, Popen, die das Weihrauchfaß vor den gleichen starräugigen Heiligenbildern schwingen wie zu Zeiten Justinians…«

»…Etwas machen, nicht nur sein, selber etwas machen, nicht nur sein, was von einem erwartet wird. Aufstehen, über den Platz gehen, weggehen, wenn man das schaffen könnte…«

»…Noch zehn Tage, noch drei. Letztes Jahr. Nächstes Jahr. Als ich noch zur Schule ging, ja, damals. Morsches Holz. Runde Kiesel. Wandernder Nachmittagsschatten. Ein Teil davon sein und zugleich der Betrachter. Aus der Zeit heraus ihr gegenüber in das Bild eintreten…«

MEINUNGSFREIHEIT

»…Morgens, wenn ich beim Frühstück Zeitung lese, darf ich nicht vergessen, meine Meinung auszuziehen und über den Stuhl zu hängen, bevor ich meine Schultasche nehme und die Wohnung verlasse…«

SCHOKOLADENZWERGE

»…Man sagt das so, ich fahr nur hin und hole die Sachen, die ich selber brauchen kann. Alles übrige macht die Firma, die ich mit der Wohnungsauflösung beauftragt habe. Man sagt das so, wenn man weit genug fort ist. [..] Wenn sie die Möbel ansah, die genau so dastanden, wie sie immer gestanden hatten, konnte sie sich nicht vorstellen, daß da einfach irgendwelche fremden Leute kamen und alles wegtrugen. [..] Aber wo kam sie hin, wenn sie eine Schulzeittasse und eine Tanzstundentasche und eine Kindheitszuckerdose und eine Schulanfängerfarbenschachtel und was noch alles mitnahm…«

»…Sie sah die zwei Frauen durch die Glasscheibe miteinander reden. Eine Frau braucht eine Bluse. Eine Bluse ist eine Bluse, egal wo man sie kauft. Sie sah die alte Frau reden und wußte, daß es ihr nicht egal war. [..] Das Café, der Likör, die Geschichten von Enkeln mit Keuchhusten und Schwiegertöchtern, die nicht einmal einen anständigen Apfelkuchen backen konnten und ihre Männer zum Einkaufen schickten…«

ABLÖSUNG

»…Ich habe immer gewußt, daß es nur Bilder sind. Aber die Landschaften waren so weit und begehbar. [..] Der Vermerk im Paß ‚ohne festen Wohnsitz‘ kann doch wieder nicht getilgt werden…«

RÄDER MÜSSEN ROLLEN FÜR DEN SIEG

»…’Der Krieg funktioniert nur so lange, solange die Frauen funktionieren. Wie denkt ihr darüber?‘ [..] ‚Die Räder stehen still. Wir machen aus den Stahlhelmen Kochtöpfe. Und ihr?’…«

»…Der Regimentszahlmeister war über der Verfertigung des 26. Dringlichkeitsberichts zusammengebrochen, dem Bataillonszahlmeister fiel über der Bearbeitung des 25. Dringlichkeitsberichts bei der Verfertigung einer das Verfahren beschleunigenden handschriftlichen Zusatzbemerkung die Feder aus der Hand, und als beim Generalstab schließlich auch der Mokka ausging, sahen sich die Herren endlich doch zum Handeln gezwungen…«

»…So kam es, daß zum ersten Mal in der Geschichte einem Generalstab das gleiche Schicksal widerfuhr, das er unzähligen gewöhnlichen Soldaten bereitet hatte, was von der folgenden Generation als recht und billig angesehen wurde…«

AM HOFTOR

»…So sehr sie auch wollte, sie konnte sich nicht von der Stelle bewegen. Da fuhr der Zug an, er winkte noch einmal, endlich konnte sie laufen, sie lief los, aber der Zug war schneller. Trotz aller Anstrengung konnte sie ihn nicht einholen. Sie bekam keine Luft mehr und mußte zusehen, wie der Zug am Horizont verschwand. [..] Die Gleise hatten ihr nie etwas gebracht in all den Jahren. Nie mehr war jemand zu ihr herabgestiegen. Nie hatte sie das Meer mit den Schiffen gesehen…«

»…Einmal im Jahr kamen sie, brachten Geschenke und erzählten, daß dort, wo sie arbeiteten, alles ganz anders war. Sie sagten immer nur: Dort, wo wir arbeiten. Sie sagten niemals: Dort, wo wir jetzt leben. Und sie wollte sie nie mit Fragen nach diesem Leben in Verlegenheit bringen…«

MORGENSTUND

»…in dem kleinen Museum die silberpistolentragenden Heldenbilder mit martialischen Schnurrbärten, die Tischplatte, auf der dreißig Männer hingerichtet wurden, nationale Reliquien, alljährlich beim Volksfest verehrt, mit stolzem Grausen betrachtet, der Blutgeruch des Abenteuers, das es in den Dörfern genausowenig gab wie Arbeit…«

»…Ingenieure auf Betriebsausflug, die es nicht eilig hatten, behutsam die Kameras in Position brachten, noch einmal überlegten, dann erst abdrückten. Schwarz-rot-goldene Touristen in einem Hof, in den die Väter mit Jeeps und aufgepflanzten Maschinengewehren als Besatzer eingezogen waren…«

»…Arkadi im Regen. Der weiße Idagipfel vor blauem Himmel über den Säulen von Phaistos. Die Omalos-Hochebene im Nebel. Kritsa weiß zwischen Ölbäumen. Wiesen mit gelbem Ginster und rotem Mohn. Violette Gladiolen. Dorfkirchen unter Eichen, in denen streng blickende Heilige von der Wand bröckelten…«

»…’Hör zu‘, sagte sie, nachdem sie den Satz in der Mitte des Abschnitts zweimal gelesen hatte, ‚hier steht: Jede der beim Frühjahrsmanöver in Kreta abgeschossenen Raketen hat das Mehrfache der Sprengkraft von Nagasaki.‘ [..] Es gab keine Beschreibung für Nagasaki hoch vier. Außer man stutzte es zur Nachricht zusammen. Das Mehrfache der Sprengkraft von Nagasaki. Punkt. Tatsachen. Zur Kenntnis genommen. Kopfnicken…«

WAS IST KRIEG

»…Wenn doch jeder jeden in der Luft explodieren lassen kann, dann hat es doch keinen Sinn mehr. Was hat dann keinen Sinn mehr? Das Verteidigen und Erobern. Oder? Nein, dann hat es keinen Sinn mehr. Und warum reden dann alle vom Krieg? Weil sie Angst haben …«

SANDTRÄUME

»…Er saß auf der Terrasse im Schatten des Weinlaubs, rieb sich die schmerzenden Risse der Haut, sah den jungen Mann unten am Strand in der Sonne liegen und fing an, davon zu träumen, daß er auch einmal so geträumt hatte wie der…«

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Hörproben

Hörproben aus den Kurzgeschichten ‚Papierboote‘ von Anne Birk:

Hörprobe aus „Papierboote | Seelenwanderung“, gelesen vom Sprecher, Schauspieler und Sprach-Coach Michael Stülpnagel:

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